Dienstag, 9. Januar 2007

Korsika 2006: Der Aufbruch

Es war am 28. August 2006 in den frühen Morgenstunden: Da trafen sich auf einem Bahnsteig des Provinzbahnhofs Tübingen vier Gefährten, die gemeinsam aufbrechen wollten, die Welt zu erkunden. Ihr Drang nach Erkenntnis und Lebenserfahrung war sogar so groß, dass sie nicht etwa den modernen Massentransport durch die Lüfte wählten, sondern ihre jungen Körper in einen beengten Cisalpino-Zug ohne nennenswerte Gepäcknetze zwängten, jegliche Einschränkungen für Körper und Geist ignorierend und auch die lange Reisezeit, die sie damit auf sich nahmen.

Die vier Gefährten waren – so unwahrscheinlich es klingen mag – aus verschiedenen Teilen Deutschlands zusammengekommen. Lange lange Zeit zuvor – so lange, dass sich nur noch die Altvorderen daran erinnerten – waren diese Gebiete sogar zwei unterschiedlichen Staaten gewesen. Aber das ist eine andere Geschichte und sie soll ein anderes mal erzählt werden.


Montag, 28. August: Der Aufbruch

Aber beginnen wir mit unserer Geschichte und kehren auf den Tübinger Provinzbahnhof zurück. Alle vier Gestalten waren noch müde von der kurzen vergangenen Nacht, was ein Blick in ihre Gesichter sofort bestätigt hätten. Nachdem man den Cisalpino erreicht hatte (er kam mit einer nur ganz unwesentlichen Verspätung von 20 Minuten), konnten sich die Gefährten endlich mit voller Fahrt gen Süden aufmachen. Der Zug wurde auch bestiegen von einer Gruppe von Ferienkindern mit ihren zwei Erzieherinnen: Während ihre Begleiterinnen nur deutsch sprachen, waren die Kinder allesamt Italiener, sprachen aber mit den Erzieherinnen deutsch und artikulierten nebenher auch französisch und englisch – zumindest meinten das die müden Ohren unserer Gefährten zu vernehmen. In der Sitzgruppe nebenan entwickelten sich rege politische Diskussionen zwischen den 10-jährigen und den Begleiterinnen: „Magst du Prodi oder Berlusconi?“ - „Bist du eine Communista?“ - „Ich mag Berlusconi.“ - „Warum?“ - „Berlusconi ist schön!“

Die Idee der Gefährten, den Halbwüchsigen die Internationale beizubringen konnte leider nicht mehr verwirklicht werden: Der Zug fuhr bereits auf Mailand zu.

Mailand – eine blühende Stadt der italienischen Wirtschaft und Mode im Herzen der Po-Ebene – wirkte mit dem drückenden Innenstadtsmog und den zwielichtigen Gestalten auf dem Bahnhofsvorplatz so einladend auf unsere vier Gefährten, dass sie entschieden sich hier niederzulassen und eine holde Stunde in Erwartung des nächsten Zuges zu verbringen. Dass dies eine gute Entscheidung war, zeigte sich, als sie ihrem offensichtlich ausländischen Antlitz nach die Aufmerksamkeit eines stolzen Mailänders auf sich lenkten. Er war am Nachmittag bereits mit einem geistvollen Gebräu aus einer Blechdose beschäftigt, was vermutlich auch der Grund dafür war, dass er gar muntere Lieder über das Leben („Live is Live“) zum besten gab. Schließlich bot er sogar – vermutlich um die besondere Mailänder Gastfreundschaft zu empfehlen – einen Schluck seines köstlichen Getränks an. Die Reisenden lehnten dankend ab, in der Hoffnung den munteren Gesellen nicht zu kränken, der sich schließlich mit einem ehrlichen Handschlag bei jedem der Vier verabschiedete.

Die Gefährten machten nun erste Kontakte mit dem eher bescheiden organisierten italienischen Bahnsystem, das jedoch zumindest erlaubt, dass ein Reisender irgendwann sein Ziel erreicht. Als sie also endlich in einem fahrenden Zug saßen, mussten sie sich nur noch vom Schaffner belehren lassen, dass Fahrkarten zu entwerten seien. Dieses Missgeschick ließ sich jedoch mit der Zahlung von fünf blanken europäischen Kupfermünzen aus der Welt räumen.

Nach Einbruch der Dunkelheit erreichten unsere Gefährten Genua, eine Hafenstadt, die zwei Tage später das Tor über das Meer der Mitte zum Eiland Korsika bilden sollte. Zuerst einmal musste jedoch ein bezahlbares Gasthaus (in Form einer Jugendherberge) ausfindig gemacht werden, das sich auf den Hängen der Stadt fand. Dort entdeckten die müden Reisenden zu ihrer Überraschung in ihrem Zimmer einige gar merkwürdig parlierende Landsleute, die sich selbst jedoch als „Franken“ bezeichneten und die schauerhafte Geschichten über einen amerikanischen Ureinwohner in dem Gasthaus zu berichten wussten, den sie auf ihrer eigenen Reise kennengelernt hatten. Sie waren auch sonst in spirituellen Belangen gebildet, mussten sie doch auf die Erzornung des Hausgeistes hinweisen, darüber dass die mutige Christine die Nacht nicht in den Gemächern des schönen Geschlechts sondern bei den drei anderen zu verbringen gedachte. Dem Hausgeist und den ihm unterstellten Priester (die JuHe-Angestellten) entging der Regelverstoß jedoch glücklicherweise.

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