Dienstag, 16. Januar 2007

Die erste Etappe

1. September 2006

Glücklicherweise befindet sich der Einstieg für den Wanderweg direkt am abgelegenden Zeltplatz, so dass es sofort losgehen kann: Zuerst ein Stück an einer Straße und dann ab in die Macchia. Dieses für Korsika typische Dornengestrüpp (das querfeldein kaum zu durchdringen ist) hat einige Leckerbissen parat, enthält es doch wilde Brombeeren. Sie sind sehr klein und durch die Wärme so süß, dass das Pflücken kaum lohnt und sie kaum nach Brombeeren schmecken.

Der Wanderweg ist menschenleer. Wir treffen erst im Laufe des Vormittags einen Korsen auf einem Motorroller, der uns mit viel Gestik versucht zu erklären, dass wir gerade auf seinem Grundstück wandern (ohne es gemerkt zu haben). Trotz der Hitze und prallen Sonne ist die Wandermoral gut und bis zum Mittag ist bereits ein gutes Stück geschafft – sieht man von den unauffälligen Höhenlinien auf der Karte ab, die im zweiten Etappenteil eingezeichnet sind. Wir meistern den Aufstieg von 600 Höhenmetern in praller Sonne jedoch und erreichen in der Nachmittagsglut das Etappenende, das verschlafene Bergdorf Bisinao [GeoTag].


Dort angekommen muss der Betreiber eines Minicampingplatzes geweckt werden, der nach einiger Zeit nach dem Anklopfen müde verschlafen aus seinem Haus kommt und uns noch schnell die Dusche putzt. Minicamping ist hier durchaus treffend für den etwa vier Meter breiten und 15 Meter langen Hinterhof seines Hauses.

Eine Wanderwegbeschreibung, die wir in Portiticcio bekommen hatten, erweist sich in Bisinao als ziemlich veraltet, denn den ausgeschriebenen Supermarkt gebe es schon seit Jahren nicht mehr. Lediglich ein fahrender Bäcker halte am Morgen in dem Ort. Dies bringt unsere Planung etwas durcheinander, waren wir doch davon ausgegangen, noch für Abendessen einkaufen zu können. Also akzeptieren wir mit (zuerst) knirschenden Zähnen das Angebot unseres Wirtes, uns für 10 € pro Person ein Abendessen zu bereiten – jedenfalls wenn er noch etwas findet.


Als er uns schließlich ruft, ist an der langen Tafel auf seiner Veranda mit einem Blick in die gebirgige Landschaft für fünf gedeckt und er fragt an, mit uns speisen zu dürfen. Das Menü besteht aus einer Vorspeise mit Tomaten und Ziegenkäse, einem Aperativ, einem Putengulasch mit Oliven und Nudeln (den sogar unser Vegetarier isst) sowie einer Nachspeise aus Ziegenkäse und Feigenmarmelade. Dazu wird Rotwein und Rosé gereicht. Während des formidablen Mahles gelingt uns sogar ein wenig Konversation (überwiegend mit Fabis sprachlicher Unterstützung) über Physik. Unser Wirt ist kein Korse sondern Franzose, der eine Korsin geheiratet hat. Ein kleiner kultureller Konflikt bricht lediglich aus, als Karl versucht, den runden Ziegenkäse scheibenweise und nicht tortenstückartig zu schneiden, wie es sich in Frankreich gehört.


Schließlich trennen wir uns angeheitert vom Abend vom Wirt in Richtung des Zeltes. Doch nur wenig später beginnt der Angriff. Eine überreife Feige trifft das Zelt und stört die Nachruhe. Das Bombardement dauert über eine Stunde an und alle Versuche durch rufen und Auflauern die Angreifer zu vertreiben misslingt, so dass wir nur warten können, bis sie von selbst verschwinden. Für die korsische Jungenbande waren wir wohl die einzige Abwechslung in der Tristesse ihres abgelegenden Dorfes.

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