Montag, 29. Januar 2007

Vorerst letzte Etappe

Donnerstag, 7. September 2006

Der Wanderweg mare e monti sud geht seinem Ende entgegen: Wir beginnen due letzte Etappe in Olmeto. Es stehen nochmal 700 Höhenmetern zwischen uns und dem Ziel, der auch noch mit einem Kreuzweg beginnt - kein gutes Vorzeichen für die bevorstehenden Strapazen.

Obwohl wir von Olmeto eigentlich nur noch in die Bucht nach unten laufen müssten, führt uns der Weg dennoch nochmal über einen Berg. Da wir früh losgelaufen sind, können wir uns schon am Gipfel des Berges gegen 11.30 Uhr ans vermeintlich wohlverdiente Mittagessen machen.

Jedoch haben wir uns mal wieder verkalkuliert. Zum einen wird der Abstieg deutlich anstrengender als der Aufstieg, da unsere ziemlich erschöpften Füße die steilen und rutschigen Wege nur noch mit viel Überredungsversuchen überstehen. Zwar erreichen wir das Ende der Etappe Burgo schon um 14 Uhr, jedoch stellt sich dies als ein Dorf mit einem unbezahlbar teuren Hotel heraus: Ein Schlafsaal-Zimmer kostet pro Person und Nacht 35 € (!). Wir müssen es also noch bis nach Propriano schaffen - laut Wirtin sind das auch nur "15 Minuten". Uns geht aber relativ schnell auf, dass sie entweder "15 Autominuten" oder "15 Kilometer" gemeint haben muss. Wir schleppen uns also für die letzten zwei Stunden des Tages in Richtung Propriano, wobei wir sofort uns auf dem ersten Campingplatz erschöpft auf ein überteuertes Eis stürzen, was wir uns auch verdient haben.

Stephan und Karl haben dennoch noch etwas Energie und beschließen das Abendessen zu retten: Sie brechen in Richtung Propriano auf (vielleicht gibt es ja auf dem Weg einen Supermarché?). Allerdings finden sie erst in der 3 km entfernten Stadt eine Einkaufsmöglichkeit und sie machen sich - nun ebenfalls zunehmend erschlagen - auf den Rückweg.

Auf dem Weg finden sie eine hilflos um sich winkende Frau, die etwas von Pierre erzählt und auf ein Auto deutet, dass da in einer Einfahrt steht. Erst langsam geht uns auf, dass dieses Auto herrenlos (also geparkt) ist und nicht etwa einem gewissen Monsieur Pierre gehört sondern mit einem Fels/Stein (frz. pierre) daran gehindert werden soll, auf die vielbefahrene Fernstraße zu rollen. Der auch der Frau unbekannte Besitzer des Autos hat wohl vergessen, die Handbremse anzuziehen. Nach einigen wilden Kommunikationsversuchen gelingt es uns schließlich die Frau zu verstehen und dann auch entsprechend zu handeln.

Sonntag, 28. Januar 2007

Olmeto

Während der Schnee hier in Lustnau schon wieder vor sich hin taut, schwelge ich mal weiter in Gedanken an unseren letzten Urlaub. :-)

Mittwoch, 6. September 2006

Die beiden Franken, deren Zelt neben unserem befindet, stehen schon um 6.30 Uhr auf, da sie einen Bus erwischen wollen, um ins sagenumwobene Fangotal aufzubrechen (das wir im Verlaufe des Urlaubs auch noch erkunden werden). Wir lassen uns gleich mitwecken und Karl entscheidet heroisch, loszulaufen, um Frühstücksbrot (d.h. natürlich -baguettes) zu holen. Doch leichter gesagt als getan: Der Becker am einen Ortsende hat zu, der andere ist 15 Minuten Fußmarsch entfernt. Nach über 30 Minuten ist Karl wieder da (der Bäcker versuchte vergeblich mich davon abzuhalten, mit den frisch aus dem Ofen geholten Baguettes gleich loszulaufen - aber der Hunger war einfach zu groß).

Als wir dann endlich loswandern, stehen unsere fränkischen Freunde noch immer an der Straße und warten auf den Bus - so genau nehmen es korsische Busfahrer wohl nicht mit Fahrplänen. Die erste Stunde geht es entlang einer Fernverkehrsstraße. Wir nutzen die Gelegenheit und füllen unsere Benzinflasche für den Kocher an einer Tankstelle auf.

Als wir die Straße dann endlich verlassen dürfen (die Füße schmerzen schon vom ungewohnt ebenen Asphalt), geht es steil bergauf. Laut Wanderführer müssen wir immerhin 600 Höhenmeter schaffen. Entsprechend erschöpft sind wir auf unserer Mittagspause. Unsere Wegzehrung (korsischen Ziegenkäse und luftgetrocknete Salami) lockt eine Katze herbei, die uns die ganze Zeit über belauert und regelmäßig versucht, durch dichtes Dornengestrüpp (!) zu uns durchzustoßen. Schließlich gibt sie auf und kauert sich schläfrig neben uns hin.

Dass zwei Stunden Mittagspause zu langen waren, merken wir im zweiten Teil der Etappe: Die Glieder sind schon müde und die Wandermoral lässt zu wünschen übrig. Schließlich erreichen wir aber unser Ziel, bei dem sich allein der Anblick lohnt: Olmeto [GeoTag]. Die kleine Stadt ist an einen steilen Hang gebaut und besteht aus alten rustikalen Steinbauten. Von hier hat man dazu einen schönen Blick in die Bucht von Propriano.


Olmeto hat wie befürchtet keinen Campingplatz und nur einen Haufen Hotels, die dazu noch teilweise ausverkauft sind. Stephan und Fabi können aber eine Hotelière (heißt sie so?) überreden, uns ein aufgebettetes Vierbettzimmer für 70 € für eine Nacht zu überlassen - allerdings ohne petit dejeuner.

Nachdem alle geduscht haben erkunden wir in Ruhe die Stadt und kaufen fürs Abendessen ein. Da wir Geld sparen wollen, suchen wir uns mit unseren Kochern eine ruhige Stelle, um hier unseren Couscous warm machen zu können. Unsere Befürchtung, wegen Brandstiftung mitten in der Stadt (Kochen mit offenem Feuer!) aufgegriffen zu werden, bewahrheitet sich nicht. Die Passanten finden unser Gelage allesamt amüsant.

Mittwoch, 24. Januar 2007

Schnee!

Ich werfe zwischen den Korsika-Rückblicken mal einen aktuellen Post ein. Schnee, der Winter ist da! Bisher konnte man ihn ja kaum als solchen bezeichnen, immerhin hatten wir bis Weihnachten teilweise wochenlang Sonnenschein und um die 15°C. Das war auch noch in der letzten Woche nicht anders. Das Wetter war so frühlingshaft, dass man hier und da Gänseblümchen auf saftig-grünen Wiesen sah, ebenso wie kräftig knospende Bäume. Auch die Pollenbelastung war im Dezember so hoch wie im April.

Aber das ist wohl nun erstmal vorbei: Heute früh beim Aufstehen lagen mindestens 20 cm Neuschnee! Daran hatte ich diesen Winter gar nicht mehr geglaubt. :-)






Sonntag, 21. Januar 2007

Porto Pollo

Ich werde von jetzt an Geotags in den Blog einbauen, d.h. Links auf die Orte wo wir waren in Google Earth. Die könnt ihr natürlich nur öffnen, wenn ihr Google Earth installiert habt.

Dienstag, 5. September 2006

Nach zwei Tagen am Paradiesstrand von Cupabia, entscheiden wir uns, den angefangenen Wanderweg Mare e monti sud nun doch einmal fortzusetzen und rüsten uns für den Aufbruch, wissend, dass die nächste Etappe nicht allzu anstrengend werden dürfte. Die Füße klagen nach wie vor von der letzten Tortour...


Das Ende der Etappe erreichen wir dann überraschendweise noch am selben Vormittag - in einem kleinen Bergdorf, in dem es sogar einen ordentlichen Campingplatz mit Schwimmbad gibt. Wir entscheiden dennoch, weiterzuwandern, um den nächsten größeren Ort am Meer, Porto Pollo zu erreichen.

Porto Pollo ist auf den ersten Blick total unkorsisch und dabei so stark, dass der Ort schon fast wieder korsisch erscheint. Unkorsisch, da der Ort aus einer langgestreckten Straße besteht, die den langen weißen Sandstrand nachzeichnet. Entlang reihen sich etliche Hotels mit mindestens drei bis vier Sternen. Die Straße sieht entsprechend gepflegt, schon fast steril aus. Der Strand ist überfüllt mit (wohl überwiegend festlandfranzösischen) Rentnern. Auch der Strand selbst scheint sehr steril, da man nur etwa 50 Meter weit schwimmen kann: Dahinter folgt eine Absperrung, da dann der Yachthafen von Porto Pollo beginnt. Grausig.

Korsisch ist der Ort aber dadurch, dass er in seiner Sterilität zwar nicht das alte, halb verfallene aber Charmevolle Korsika verkörpert, dafür aber das neue, mit Hotels und Souvenirshops zugestopfte. Sicher ist es auch irgendwie legitim, immerhin verdienen die Korsen so ihr täglich Brot heutzutage. Aber es doch schade, da dabei das alte Korsika, die korsische Identität immer mehr in den Hintergrund gerät oder ganz zerstört wird.

Aber zurück zu den Reisenden: Wir sind gezwungen, den Nachmittag am Strand zu verbringen und etwas zu hungern. Zwar gibt es in Porto Pollo einen Supermarkt, Gemüsehändler und einen Bäcker - aber die halten bis 16.30 Uhr Siesta. In unserer Verzweiflung müssen wir uns wieder an Kaktusfeigen vergreifen, die am Strand wachsen. Dies stellt sich aber schnell als Fehler heraus, da die Stacheln anders als beim ersten Mal nicht nur in den Finger steckenbleiben sondern auch in der Zunge, wo sie sich auch nicht mehr herausziehen lassen. Da heißt es warten und die Zähne zusammenbeißen, bis sie von selbst herauskommen.

Glücklicherweise gibt es in Porto Pollo einen Campingplatz, wo wir uns einchecken [GeoTag]. Auch das gehört zum "Touristencharme" des Ortes: Der Platz heißt Club Köln und alle Schilder sind auf deutsch. So passt es denn auch, dass wir dort zwei junge Menschen aus Franken treffen (wohl gerade vor dem Abi) und die anders als wir via Bus und Zug umherziehen, da ihnen beim Wandern die Rucksäcke zu schwer geworden sind. Am Abend treffen wir dann noch ein anderes Pärchen, das ein Stück weit den Hochgebirgs-Wanderweg GR20 gelaufen ist. Als es in ihrer Gruppe einen Verletzten gab, entschieden sie sich, auf den einfacheren Mare e monti sud auszuweichen. Die beiden machen einen sehr fitten Eindruck und schaffen wohl jeden Tag mindestens eine Etappe mehr als wir.

Den Abend begießen wir - das erste mal auf Korsika: Es gibt korsisches Bier aus Kastanienmehl Pietra, die hiesige Spezialität. Die gleiche Brauerei stellt auch Corsica Cola her, die überall auf der Insel stark beworben wird. Der Abend klingt mit einer Plauderrunde über Krieg, Schwaben, Ostdeutschland, Islamismus und Rassismus aus.

Freitag, 19. Januar 2007

Cupabia

Sonntag, 3. September: Cupabia


Der weiße Sandstrand von Cupabia [GeoTag] erweist sich als der perfekte Urlaubsstrand auf Korsika. Der Campingplatz ist zwar etwas größer, aber es stellt sich kein Gefühl eines überlaufenden Urlaubsstrandes ein wie später in größeren Touristenorten. Wir genießen den Tag in vollen Zügen am Schatten im Strand sowie mit der Konstruktion hochentwickelter Sandburgen und mit lesen. Am Abend machen wir die Bekanntschaft mit zwei Deutschen, die mit einer Harpune einen Oktopus erlegt haben, den sie nun grillen und uns anbieten, zu probieren. Der fleischlüsternde Teil der Gefährten nimmt diese Einladung dankend an und so verbringen wir den Abend in netter Runde mit den Harpunieren und zwei Österreichern.

Montag, 4. September: Ausflug


Der zweite Tag in Cupabia: Beim Frühstück bekommen wir erst einem wahrgesagt: Eine der beiden Italienerinnen, die am Vortag ihr Zelt neben uns aufgebaut haben, lassen uns Tarot-Karten ziehen, die offensichtlich selbst gemalt sind:


  • Fabi: Chaos

  • Stephan: La Luna

  • Karl: La Machina

  • Christine: Il Cazzu


Auf Übersetzungen verzichte ich. ;-)


Da die Tortur vom Vortag noch etwas tiefer sitzt, aber auch schon wieder Wanderlust zu spüren ist, entschließen wir uns zu einem Ausflug ohne das schwere Marschgepäck. An einem der Arme der Bucht ist ein Genuesenturm sichtbar, zu dem wir uns aufmachen. Neben Rucksäcken bleiben auch die Wanderschuhe auf dem Zeltplatz: In Flipflops geht es etwa eine Dreiviertelstunde über einen steinigen und hügligen Weg die Bucht entlang.


Der Genusenturm wird von Stephan und Fabi kurz untersucht, dann verlassen wir den Weg, um uns quer durch die Macchia nach unten ans Wasser zu begeben. Hier fällt das Ufer relativ felsig und schroff ins Meer ab, allerdings befindet sich ganz unten eine Art Steinterrasse, auf der man direkt ans Wasser kommt. Christine ist wohl das Laufen leid – die entscheidet sich, den Weg zurückzuschwimmen. Nachträgliche Berechnungen mit Google Earth zeigen, dass sie wohl 1,3 km schwamm (siehe Bild). Sie schwebte dabei in großer Gefahr, immerhin hatten die Oktopus-Harpuniere am Vortag etliche Quallen in der Bucht gesehen.


Aber auch die anderen drei stürzen sich in nicht minder große Abenteuer. Denn auf dem Weg zurückzulaufen war zu langweilig: Viel spannender wäre es, in Badelatschen und Sandalen über die Felsen am Wasser zurückzuklettern, die manchmal mehrere Meter hoch und dornengestrüppüberwuchert sind. Dieser Weg lohnt sich, denn auf dem Weg können die drei auch selbst einen Oktopus beobachten, der sich versuchte unter einem Stein zu verstecken und bei Berührung so schnell wegschwimmt, dass er nur schwer fotografisch festzuhalten war.


Der Nachmittag vergeht mit einem spannendenden Tichu-Match am Strand. - Fabi und Stephan musste jedoch erst einmal in dieses chinesische Kartenspiel eingeführt werden. Skat gespielt wurde natürlich auch.


Der Abend bildete ein Highlight des Urlaubs: Nach dem Abendessen (in Cupabia gibt es ja täglich frisches Gemüse zu kaufen!) genießen wir die Nachtatmosphäre am weißen Strand, der des nachts Konkurrenz vom Wasser erhält, das silbrig vom Mondlicht glänzt.

Donnerstag, 18. Januar 2007

Tortour

2. September 2006

Ein gnadenloser Wecker geht um 6.30 Uhr und lässt die vier von der unruhigen Nacht geräderten Abenteurer aus dem Schlaf fahren. Der fahrende Boulanger (Proviant für Frühstück und Tag) fährt um 7 Uhr vor, den wir unbedingt erreichen wollen. Auch unseren Wirt treffen wir am Auto, der nicht schlecht schaut, als wir dort acht Baguettes und vier Brote bestellen.


Die zweite Etappe verläuft ruhiger als die erste und führt uns durch ein weiteres ausgestorbenes Bergdorf, wo uns aus einer Horde streunender Hunde einer zu begleiten beginnt und noch über zwei Stunden bei uns bleibt. In Erwartung des Etappenendes laufen wir bis zum Ende ein gutes Tempo. Jedoch erweist sich der Schlusspunkt als Ort mit zwei teuren Hotels und ohne Campingmöglichkeit. Uns bleibt also nur, die (nach Wanderführer) zwei Stunden und 45 Minuten der nächsten Etappe noch zu laufen – trotz der allgemeinen Erschöpfung.


Der Gewaltmarsch verläuft zunehmend gewalttätig für die beteiligten Gliedmaßen – lediglich ein Feigenbaum am Wegesrand verschafft eine kurze Aufhellung der Stimmung. Da der Weg überwiegend bergab in eine Bucht führt, kommen wir jedoch schnell voran und erreichen den Campingplatz schon nach zwei Stunden. Glücklicherweise besitzt er – da er abgelegen von anderen Orten liegt – eine eigene Epicerie, wo wir uns mit Reis und frischem Gemüse für den Abend eindecken. Alle sind schnell fertig für den Schlafsack, immerhin war der Tag mit 10 Stunden und 30 Minuten Wanderung ziemlich lang.

Dienstag, 16. Januar 2007

Die erste Etappe

1. September 2006

Glücklicherweise befindet sich der Einstieg für den Wanderweg direkt am abgelegenden Zeltplatz, so dass es sofort losgehen kann: Zuerst ein Stück an einer Straße und dann ab in die Macchia. Dieses für Korsika typische Dornengestrüpp (das querfeldein kaum zu durchdringen ist) hat einige Leckerbissen parat, enthält es doch wilde Brombeeren. Sie sind sehr klein und durch die Wärme so süß, dass das Pflücken kaum lohnt und sie kaum nach Brombeeren schmecken.

Der Wanderweg ist menschenleer. Wir treffen erst im Laufe des Vormittags einen Korsen auf einem Motorroller, der uns mit viel Gestik versucht zu erklären, dass wir gerade auf seinem Grundstück wandern (ohne es gemerkt zu haben). Trotz der Hitze und prallen Sonne ist die Wandermoral gut und bis zum Mittag ist bereits ein gutes Stück geschafft – sieht man von den unauffälligen Höhenlinien auf der Karte ab, die im zweiten Etappenteil eingezeichnet sind. Wir meistern den Aufstieg von 600 Höhenmetern in praller Sonne jedoch und erreichen in der Nachmittagsglut das Etappenende, das verschlafene Bergdorf Bisinao [GeoTag].


Dort angekommen muss der Betreiber eines Minicampingplatzes geweckt werden, der nach einiger Zeit nach dem Anklopfen müde verschlafen aus seinem Haus kommt und uns noch schnell die Dusche putzt. Minicamping ist hier durchaus treffend für den etwa vier Meter breiten und 15 Meter langen Hinterhof seines Hauses.

Eine Wanderwegbeschreibung, die wir in Portiticcio bekommen hatten, erweist sich in Bisinao als ziemlich veraltet, denn den ausgeschriebenen Supermarkt gebe es schon seit Jahren nicht mehr. Lediglich ein fahrender Bäcker halte am Morgen in dem Ort. Dies bringt unsere Planung etwas durcheinander, waren wir doch davon ausgegangen, noch für Abendessen einkaufen zu können. Also akzeptieren wir mit (zuerst) knirschenden Zähnen das Angebot unseres Wirtes, uns für 10 € pro Person ein Abendessen zu bereiten – jedenfalls wenn er noch etwas findet.


Als er uns schließlich ruft, ist an der langen Tafel auf seiner Veranda mit einem Blick in die gebirgige Landschaft für fünf gedeckt und er fragt an, mit uns speisen zu dürfen. Das Menü besteht aus einer Vorspeise mit Tomaten und Ziegenkäse, einem Aperativ, einem Putengulasch mit Oliven und Nudeln (den sogar unser Vegetarier isst) sowie einer Nachspeise aus Ziegenkäse und Feigenmarmelade. Dazu wird Rotwein und Rosé gereicht. Während des formidablen Mahles gelingt uns sogar ein wenig Konversation (überwiegend mit Fabis sprachlicher Unterstützung) über Physik. Unser Wirt ist kein Korse sondern Franzose, der eine Korsin geheiratet hat. Ein kleiner kultureller Konflikt bricht lediglich aus, als Karl versucht, den runden Ziegenkäse scheibenweise und nicht tortenstückartig zu schneiden, wie es sich in Frankreich gehört.


Schließlich trennen wir uns angeheitert vom Abend vom Wirt in Richtung des Zeltes. Doch nur wenig später beginnt der Angriff. Eine überreife Feige trifft das Zelt und stört die Nachruhe. Das Bombardement dauert über eine Stunde an und alle Versuche durch rufen und Auflauern die Angreifer zu vertreiben misslingt, so dass wir nur warten können, bis sie von selbst verschwinden. Für die korsische Jungenbande waren wir wohl die einzige Abwechslung in der Tristesse ihres abgelegenden Dorfes.

Freitag, 12. Januar 2007

Zuerst quer über die Insel

Als die vier Reckinnen und Recken erwachen und verschlafen durch den Zeltspalt luken, müssen sie feststellen, dass die Sonne schon hoch am Himmel steht. Bei einem gemütlich Frühstück genügt ein schneller Blick auf die Pläne der korsischen Bahn, dass der angepeilte Zug in Richtung Calvi (im Nordwesten der Insel) bereits von dannen gefahren war. Also satteln sie kurzerhand ihre Rucksäcke und galoppieren zum nächsten Bahnhof (der eigentlich noch nicht einmal das den Namen Bedarfshalt

wirklich verdient), um zumindest irgendeinen Zug zu erreichen.


Der Vorteil an der neuen Fahrroute – es geht nach Ajaccio, der korsischen Hauptstadt im Südwesten – war die wohl abenteuerlichste Route einer Eisenbahn auf französischem Boden. Die Bahn fährt dabei über ziemlich gewagte Stahlkonstruktionen, entlang an steilen Berghängen und durch dutzende Tunnel. Dass auf der Strecke (und sogar in Tunnels!) gelegentlich Esel und Kühe auf den Gleisen laufen, stört die beiden Zugführer nicht. Mit mehrmaligem Zwischenstopp erreicht der Zug schließlich vier Stunden später die korsische Hauptstadt.


Die Reisenden sind von soviel Urbanität abgeschreckt (bis vielleicht auf einen der Teilnehmer), sind sie doch eigentlich auf der Suche nach der einsamen korsischen Natur. Nach einer Mittagspause macht man sich also daran, eine Busverbindung zum Anfangspunkt des Wanderwegs Mare e monti sud zu erfragen, was schließlich auch gelingt. Der Bus muss dafür lediglich einmal durch die Bucht Ajaccios fahren, um auf der gegenüberliegenden Seite der korsischen Hauptstadt in Porticcio die Reisenden schon wieder zu entlassen.


Die Erforschung des neuen Ortes dauert etwas länger. Zwar sind Touristenkompatibler Strand und Einkaufsmöglichkeiten schnell ausgekundschaftet, doch ein alter stillgelegter Zeltplatz führt zu längerer Verwirrung unter den von der Mittagsglut verwirrten Wanderern, die schließlich gezwungen sind, einen sehr abgelegenen Zeltplatz aufzusuchen.

Mittwoch, 10. Januar 2007

Genua

Dienstag, 29. August: Unterwegs in Genua


Der folgende Tag wurde ganz der Erkundung Genuas gewidmet. Hier herrschte ein anderes Klima als in Mailand: Frische salzige Meerluft hielt den allgegenwärtigen Verkehrssmog in Schach und unsere vier konnten durchatmen und die angenehme Augustwärme der Mittelmeerküste zum ersten Mal genießen, war doch in ihrer Heimat der Sommer bisher auffällig zurückhaltend mit der Abgabe von Sonnenstrahlen umgegangen.


Die Reisenden erkundeten zuerst die schmalen Gassen mit Geschäften, die Gemüse, Pasta und Süßwarne feilboten, um dann den teilweise verfallenen Hafen in Augenschein zu nehmen. Das hölzerne Piratenschiff, dass in einem Film von Roman Polanski zum Einsatz gekommen war, wurde von außen zwar begutachtet, die Idee einer Enterung mit darauffolgender Fahrt nach Korsika auf eigene Faust wurde jedoch schnell verworfen: Die Müdigkeit von der Reise am Tag zuvor saß noch zu tief. So begnügten sie sich, am Nachmittag ein Eis genießend Passanten zu beobachten.


Der Arm war schließlich ganz einem Kartenspiele gewidmet, das innerhalb der Abenteuer unserer Gefährten noch eine wichtige Rolle einnehmen sollte: Skat. Karl musste jedoch erst einmal die Grundzüge nahegebracht werden.


Dienstag, 30. August: Land in Sicht!


Die noch immer ermüdeten Abenteurer verließen schon um sechs Uhr ihre warmen Betten, um sich bepackt mit dem Marschgepäck in den stickigen genuesischen Bussen einen Weg zum Fährhafen zu bahnen. Dort angekommen lässt die angekündigte Fähre jedoch noch über zwei Stunden auf sich warten, so dass sich die geduldigen Reisenden zu einem Kartenspiele niederlassen. An Bord des Dieselrauch speienden Ungetüms können sie sich dann endlich von den Unwegsamkeiten der letzten Tage erholen und ein Schläfchen in der Sonne halten – einige von ihnen tun dies auch, um der Seekrankheit ein Schnippchen zu schlagen. - Denn der Kahn schaukelt gut vernehmbar.

Nach wenigen Stunden Fahrt meldet der Ausguck an der Rehling: Land in Sicht! Sofort versammeln sich die Gefährten, um die auftauchende „Insel der Schönheit“ (wie der Reiseführer behauptet) zu begutachten. In der Tat zeigt sich Korsika und die nordöstlich gelegende Hafenstadt Bastia bei bestem Wetter und glasklarem Wasser. Dort angekommen müssen die Vorräte wiederaufgefüllt werden und ein Platz zum Nächtigen ausgekundschaftet werden. Obwohl ein Obsthändler in Hafennähe den Reisenden ungebührliche Preise für eine Melone und anderes Obst abverlangt, stürzen sie sich mit viel Appetit auf die süßen Speisen und dem Produkt französischer Backkunst, das von nun an Hauptnahrungsquelle bilden soll: Das Baguette.


Weiterhin schwer bepackt ist man nun auf der Suche nach dem Campingplatz, der laut dem ortskundigen Reiseführer nicht weit hinter der Altstadt liegen soll (ohne jedoch eine genaue Zeitangabe für den Fußmarsch abzugeben). Vorbei an Napoleondenkmählern und verfallenen Wohnhäusern, direkt neben einer ansehlich hergerichteten Kirche, führt es die müden Füße bald in die Zitadellenstadt, von sich ein vortrefflicher Blick auf die Bucht von Bastia genießen lässt.

Bald geht es entlang einer viel befahrenen Fernverkehrsstraße, die zum Verzücken der dürstenden Wanderer bewachsen ist von früchtetragenden Kakteen, was sie dazu bemüßigt, von ihnen zu probieren, dabei aber die unauffällig feinen Nadeln nicht beachten. Der Genuss des süßen rötlichen Inhalts wird daher ­geschmälert von zerstochenen Händen, die noch Stunden später mit viel Geduld behandelt werden müssen. Vermutlich wären die Wanderer weniger verdrossen über die Stiche gewesen, hätten sie gewusst, dass dies nicht der letzte und ärgste direkte Kontakt mit diesen Früchten auf ihrer Reise sein sollte.


Ihre Lagerstatt erreichen sie spät, denn es dämmert bereits. Zwar wirkt diese eher düster als einladend, doch die zwei Zelte können die Gefährten am Strand direkt an der sanft wogenden See aufschlagen. Bald schon nachdem das bereitete Abendmahl mit frischem Gemüse und Nudeln verspiesen war, sanken die Vier in einen tiefen traumlosen Schlaf.

Dienstag, 9. Januar 2007

Korsika 2006: Der Aufbruch

Es war am 28. August 2006 in den frühen Morgenstunden: Da trafen sich auf einem Bahnsteig des Provinzbahnhofs Tübingen vier Gefährten, die gemeinsam aufbrechen wollten, die Welt zu erkunden. Ihr Drang nach Erkenntnis und Lebenserfahrung war sogar so groß, dass sie nicht etwa den modernen Massentransport durch die Lüfte wählten, sondern ihre jungen Körper in einen beengten Cisalpino-Zug ohne nennenswerte Gepäcknetze zwängten, jegliche Einschränkungen für Körper und Geist ignorierend und auch die lange Reisezeit, die sie damit auf sich nahmen.

Die vier Gefährten waren – so unwahrscheinlich es klingen mag – aus verschiedenen Teilen Deutschlands zusammengekommen. Lange lange Zeit zuvor – so lange, dass sich nur noch die Altvorderen daran erinnerten – waren diese Gebiete sogar zwei unterschiedlichen Staaten gewesen. Aber das ist eine andere Geschichte und sie soll ein anderes mal erzählt werden.


Montag, 28. August: Der Aufbruch

Aber beginnen wir mit unserer Geschichte und kehren auf den Tübinger Provinzbahnhof zurück. Alle vier Gestalten waren noch müde von der kurzen vergangenen Nacht, was ein Blick in ihre Gesichter sofort bestätigt hätten. Nachdem man den Cisalpino erreicht hatte (er kam mit einer nur ganz unwesentlichen Verspätung von 20 Minuten), konnten sich die Gefährten endlich mit voller Fahrt gen Süden aufmachen. Der Zug wurde auch bestiegen von einer Gruppe von Ferienkindern mit ihren zwei Erzieherinnen: Während ihre Begleiterinnen nur deutsch sprachen, waren die Kinder allesamt Italiener, sprachen aber mit den Erzieherinnen deutsch und artikulierten nebenher auch französisch und englisch – zumindest meinten das die müden Ohren unserer Gefährten zu vernehmen. In der Sitzgruppe nebenan entwickelten sich rege politische Diskussionen zwischen den 10-jährigen und den Begleiterinnen: „Magst du Prodi oder Berlusconi?“ - „Bist du eine Communista?“ - „Ich mag Berlusconi.“ - „Warum?“ - „Berlusconi ist schön!“

Die Idee der Gefährten, den Halbwüchsigen die Internationale beizubringen konnte leider nicht mehr verwirklicht werden: Der Zug fuhr bereits auf Mailand zu.

Mailand – eine blühende Stadt der italienischen Wirtschaft und Mode im Herzen der Po-Ebene – wirkte mit dem drückenden Innenstadtsmog und den zwielichtigen Gestalten auf dem Bahnhofsvorplatz so einladend auf unsere vier Gefährten, dass sie entschieden sich hier niederzulassen und eine holde Stunde in Erwartung des nächsten Zuges zu verbringen. Dass dies eine gute Entscheidung war, zeigte sich, als sie ihrem offensichtlich ausländischen Antlitz nach die Aufmerksamkeit eines stolzen Mailänders auf sich lenkten. Er war am Nachmittag bereits mit einem geistvollen Gebräu aus einer Blechdose beschäftigt, was vermutlich auch der Grund dafür war, dass er gar muntere Lieder über das Leben („Live is Live“) zum besten gab. Schließlich bot er sogar – vermutlich um die besondere Mailänder Gastfreundschaft zu empfehlen – einen Schluck seines köstlichen Getränks an. Die Reisenden lehnten dankend ab, in der Hoffnung den munteren Gesellen nicht zu kränken, der sich schließlich mit einem ehrlichen Handschlag bei jedem der Vier verabschiedete.

Die Gefährten machten nun erste Kontakte mit dem eher bescheiden organisierten italienischen Bahnsystem, das jedoch zumindest erlaubt, dass ein Reisender irgendwann sein Ziel erreicht. Als sie also endlich in einem fahrenden Zug saßen, mussten sie sich nur noch vom Schaffner belehren lassen, dass Fahrkarten zu entwerten seien. Dieses Missgeschick ließ sich jedoch mit der Zahlung von fünf blanken europäischen Kupfermünzen aus der Welt räumen.

Nach Einbruch der Dunkelheit erreichten unsere Gefährten Genua, eine Hafenstadt, die zwei Tage später das Tor über das Meer der Mitte zum Eiland Korsika bilden sollte. Zuerst einmal musste jedoch ein bezahlbares Gasthaus (in Form einer Jugendherberge) ausfindig gemacht werden, das sich auf den Hängen der Stadt fand. Dort entdeckten die müden Reisenden zu ihrer Überraschung in ihrem Zimmer einige gar merkwürdig parlierende Landsleute, die sich selbst jedoch als „Franken“ bezeichneten und die schauerhafte Geschichten über einen amerikanischen Ureinwohner in dem Gasthaus zu berichten wussten, den sie auf ihrer eigenen Reise kennengelernt hatten. Sie waren auch sonst in spirituellen Belangen gebildet, mussten sie doch auf die Erzornung des Hausgeistes hinweisen, darüber dass die mutige Christine die Nacht nicht in den Gemächern des schönen Geschlechts sondern bei den drei anderen zu verbringen gedachte. Dem Hausgeist und den ihm unterstellten Priester (die JuHe-Angestellten) entging der Regelverstoß jedoch glücklicherweise.